Najmiddin Mavlyanov

TOSCA an der MET: Anna Netrebko erobert Puccinis ikonische Diva

Text: Mordechai Aranowicz

Tosca poster

Zum Ende ihrer laufenden Saison präsentierte die Metropolitan Opera in New York sechs Aufführungen von Tosca, in denen Anna Netrebko als tragische Titelheldin debütierte. Dabei hatte sie sich diese wunderschöne Neuinszenierung von Sir David McVicar, die am vergangenen Silvesterabend ihre Premiere erlebte, für ihr stürmisch gefeiertes Rollendebüt ausgesucht. Die grosse Sängerin erhielt bereits nach ihren aus dem Off gesungenen Mario-Rufen stürmischen Auftrittsapplaus, der keine Vorschusslorbeeren bleiben sollte.

Tosca Netrebko

©Photo Ken Howard/Metropolitan Opera

Die Netrebko präsentierte sich auf dem Zenit ihres Könnens und scheint mit der Tosca eine Rolle gefunden zu haben, die in jeder Hinsicht zu ihrer dunkel timbrierten Stimme passt. Sie sang die Rolle mit warmem, sinnlichen Sopran, der in allen Lagen ausgezeichnet ansprach und zeichnete musikalisch einen Charakter, wie man ihn selten erlebt. Da erhielt jede Note eine tiefere Bedeutung, das Spiel Anna Netrebkos glühte in Liebe, Angst, Leidenschaft und Verzweiflung. Das berühmte “Vissi d`arte” und das anschließende “Vedi, le man giunte io stendo a te!” wurden vom Publikum mit einer atemlosen Stille verfolgt.

 

Tosca Cvaradossi

Najmiddin Mavlyanov © internet

Toscas geliebter Mario Cavaradossi war mit dem usbekischen Tenor Najmiddin Mavlyanov besetzt worden, der zum ersten Mal überhaupt an der Met sang. Der sympathische Sänger beeindruckte vom ersten Moment an mit seinem klaren, technisch perfekt geführten Tenor italienischer Schule, der ausgezeichnet mit Anna Netrebko harmonierte und mit mächtigen Vittoria-Rufen im zweiten Akt austrumpfte. Diese wunderbare Gesangsleistung wurde mit einem ausgezeichneten “E lucevan le stelle” abgerundet.

Tosca Scarpia

©Photo Ken Howard/Metropolitan Opera

Als Baron Scarpia war von der Premierenbesetzung einzig noch Zeljko Lucic übriggeblieben, der zum Te Deum-Chor (Einstudierung: Donald Palumbo) im ersten Akt einen imposanten Auftritt auf einem Podest hatte und auch in der großen Szene mit Tosca bewies, warum er an allen führenden Häusern der Welt zu Hause ist. Allein darstellerisch wirkte Lucic für den sadistischen Charakter über weite Strecken etwas zu nobel – hier hätte der Sänger durchaus etwas mehr Brutalität darstellen können.

 

Tosca Te deum

©Photo Ken Howard/Metropolitan Opera

Der idealen Rahmen für diese vorzüglichen Sänger bildeten die gigantischen, an den Originalschauplätzen orientierten Bühnenbilder und zeitgerechten Kostüme von John Macfarlane. Da war einmal eine prächtige, in Goldtönen funkelnde Kirche Sant`Andrea della Valle, das stimmungsvoll von Kaminfeuer und Kerzen beleuchtete Palazzo Farnese und die monumentale Plattform des Castel Sant`Angelos mit ihrer gigantisch aufragenden Engelsstatue vor einem Himmelsprospekt, der mit seinen drohend gemalten Wolken das aufkommende Unheil vorwegnahm.

 

Tosca sprong

©Photo Ken Howard/Metropolitan Opera

Die geschmackvollen Kostüme im Stil des Empire betonten die Wirren des Umbruchs, in dem sich Europa im Juni des Jahres 1800 befand und waren im Falle der Titelheldin eine wahre Augenweide. Der Ausstatter hatte mit dem schwarzen (und nicht roten!) Kostüm des zweiten Aktes ausserdem berücksichtigt, dass Frauen erst ab dem Biedermeier die Farbe schwarz nur noch für Trauerzwecke trugen, damals diese Farbe jedoch zu festlichen Anlässen üblich war.

Die Personenregie von David McVicar beleuchtete zum einen viele kleine Details, die sonst in Tasca Aufführungen leicht untergehen, hielt sich jedoch insgesamt zugunsten der phantastischen Sänger wohltuend zurück., was auch künftigen Besetzungen entgegenkommen dürfte. Insgesamt stellt diese Regiearbeit eine deutliche Verbesserung gegenüber der wenig geliebten Vorgänger Version von Luc Bondy dar, ohne aber die berühmte Inszenierung von Franco Zeffirelli aus dem Jahr 1985 in irgendeiner Weise zu kopieren.

Am Pult des phantastischen Met-Orchesters sorgte Betrand de Billy für eine zupackende, spannende Interpretation, die jedoch hin und wieder etwas gefühlvoller hätte seien dürfen. Das Publikum zeigte sich am Ende begeistert und feierte alle Beteiligten mit stehenden Ovationen.

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